Wasser und Liberalisierung
„Wasser wird für das 21. Jahrhundert, was Erdöl für das 20. Jahrhundert war“ Fortune Magazine.
Als Mitte der Neunziger Jahre die Welthandelsorganisation (WTO) gegründet wurde, wurde das General Agreement on Trade in Services (GATS) gleich mit aus der Taufe gehoben. Dieses Übereinkommen hat die Liberalisierung von Dienstleistungen, darunter öffentliche Dienste wie die Wasserversorgung zum Ziel. Diese Liberalisierung soll in mehreren Runden beständig ausgebaut werden. Dabei sind die vorgegebenen Zeithorizonte gleich in zweierlei Hinsicht umstritten. Während die großen Industrieländer auf eine Beschleunigung der Liberalisierungsschritte drängen, benötigen vor allem die Entwicklungsländer mehr Zeit, um die möglicherweise drastischen Folgen einer Liberalisierung abzuwägen. Und das mit gutem Grund: Was einmal liberalisiert ist, kann von Staaten kaum mehr zurückgenommen werden. Ansonsten drohen drastische Strafen des WTO-Schiedsgerichtes.
Der Privatisierung der Wasserversorgung sind jedoch schon von vornherein natürliche Grenzen gesetzt. Die Versorgung mit Wasser unterliegt einem natürlichen Monopol. Es wäre ineffizient und unmöglich, wenn jeder Anbieter sein eigenes Leitungsnetz betreiben würde.
Die häufigsten Folgen einer Liberalisierung sind:
- keine Berücksichtigung gemeinwirtschaftlicher Ziele (Zugang für alle, hohe Umweltstandards, demokratische Mitbestimmung, Instandhaltung der Versorgungsanlagen)
- steigende Preise (bis zu 100 % in Bolivien und Argentinien)
- abnehmende Qualität und Sicherheit (massive Häufung von Dysenterie u. Hepatitis A-Fällen)
- Versorgungsengpässe (wer zu arm ist, die Rechnungen zu bezahlen, dem wird der Wasserhahn abgedreht)
Vor allem große transnationale Konzerne (Global Players) zeigen großes Interesse an einer Privatisierung der Wasserversorgung. Dieses Interesse nährt jedoch Befürchtungen, dass es dabei nur um den schnellen Gewinn und möglichst hohe Renditen geht. Ein Engagement im Bereich von Nachhaltigkeit und sozialer Ausgeglichenheit ist von diesen Großunternehmen kaum zu erwarten.
Viel eher gewinnt man den Eindruck, übermächtige Parasiten haben im Bereich der Wasserversorgung ein neues lukratives Opfer gefunden, das es nun auszusaugen und halbtot zurückzulassen gilt.
Danach liegt es an der öffentlichen Hand, die Versäumnisse im Bereich der Instandhaltung des Versorgungssystems und der Sanierung von Brunnenanlagen wieder zu bereinigen und das Vertrauen der Bevölkerung in die Trinkwasserversorgung wieder herzustellen. Die Gewinne der Großkonzerne gehen somit über die Staatskasse direkt zu Lasten der versorgten Bevölkerung. Was in einem westlichen Industrieland für die Staatskasse meist noch verkraftbar ist, kann in Entwicklungsländern in der Folge zum totalen Zusammenbruch der Trinkwasserversorgung mit sämtlichen damit einhergehenden fatalen Folgen (Seuchen, Ernteausfälle, Unruhen, etc.) führen.
Bislang war die Wasserversorgung aus dem GATS ausgenommen, das hat sich aber nun geändert, was anhand der Forderungsliste der EU an die anderen WTO-Mitglieder zu erkennen ist. Und trotz zahlreicher Negativbeispiele, spielt die EU im Wassersektor die Rolle des Liberalisierungsvorreiters. Doch mehr und mehr lernen reiche Industrieländer von den armen Entwicklungsländern und es schließen sich verschiedenste Gruppierungen zu Bündnissen gegen die Privatisierung der Wasserversorgung (Vancouver, Grenoble, Niederlande) zusammen.
Fazit ist, dass Profitmaximierung bei der Wasserversorgung keinesfalls an oberster Stelle stehen darf. Der Vorrang von Allgemeininteressen wie Zugang für alle, beste Qulität, hohe Umweltstandards, Nachhaltigkeit und demokratische Mitbestimmung vor Gewinndenken muss immer gewährleistetet sein.